Der Kommandant

Feind-Flieger über dem Bahnhof kreisen,
drohen der Stadt mit Schrecken und Tod.
Menschen hasten zwischen den Gleisen,
plündern Büchsen mit Fleisch und Brot.
Keiner von ihnen wird heute mehr reisen.
Sterben verkündet das Abendrot.
Fünfzigtausend füllen die Stadt,
die der Kommandant zu halten hat.

Panzergranaten lärmen greller,
schlagen mit schrillem Pfeifen ein.
Nachbarn sitzen gedrängt im Keller,
wachen die Nacht bei Kerzenschein.
Ruhe dämmert und es wird heller,
am Burgberg sollen schon Schwarze sein.
Feuerpause! Die Stadt liegt still,
die der Kommandant verteidigen will.

Hundert Mann in ihrem Wahne,
kämpfen wollen sie in der Stadt.
Eidesbruch sei die weiße Fahne!
Jedermann größte Ängste hat:
“Lassen sie ab von diesem Plane,
sonst findet eine Katastrophe statt.
Alle Kliniken sind überfüllt.“
Der Kommandant sich in Schweigen hüllt.

Soll er Eid und Vaterland verneinen?
Schon im zweiten Krieg ist er Soldat.
Doch eine tote Stadt wär’ zu beweinen,
beginge er nicht ehrenvoll Verrat.
Bomber würden über der Stadt erscheinen,
drum muss er tun, was nie zuvor er tat.
Kampflos will er übergeben.
Der Kommandant befiehlt das Leben.

Achtzig flohen, zwanzig blieben,
fanatisch in ihrem Widerstand.
Wollen den Befehl geschrieben,
so unterschreibt der Kommandant.
Durch einen Schuss von Scham getrieben,
stürzt der Hauptmann in den Sand.
Langsam färbt sein Ehrenkleid sich rot.
Der Kommandant der Stadt ist tot.

  Autor: Wolfgang Appell