Die Libelle

Türkis geschmückt der schlanke Leib,
sucht den Galan zum Zeitvertreib
am Wegesrand auf der Brunelle,
zart und zierlich, die Libelle.

Sie bebend strebt mit heißem Bangen:
Ein junger Prinz soll sie umfangen.
Gern würde ich mich zu ihr setzen
und als Libello sie benetzen.

Doch fehlt mir seit geraumer Zeit
mein azurblaues Flügelkleid.
Seh’ heute ich Libellen gaukeln,

alleine meine Augen schimmern
und strahlen hell im Sommerflimmern.
Noch könnt’ ich auf Brunellen schaukeln.

  Autor: Wolfgang Appell
 

Jungbrunnen

Ruppertsberger Reiterpfad,
Riesling Kabinett,
im Brunnen treibt ein Pumpenrad
das Wasser aus dem Bett.

Im Kelch vom Born manch Klang sich fängt,
das Hirn er aber meidet.
"Was soll ich dort", er sich wohl denkt,
"man am Verstand nur leidet".

Dort wo das Lied am Quell sich labt,
so schlürfend über Kiesel schabt,
ich dann im Glas die Zeit besinn,

fort mich voll Lust durch Sprache spinn.
Mit jedem Schluck, vom Pfad der Tugend
weich ich vom Alter hin zur Jugend.
 

Leonore lacht

Alter tilgt nun meine Jahre,
doch im Aug' noch Jugendglanz,
um die Stirn gefärbte Haare
krausen sich zum Ehrenkranz.

Vom Bordeaux die Brombeerdüfte,
nicht die Sinnlichkeit der Jugend,
treiben Reife in die Hüfte
und hinfort erlernte Tugend.

Lust auf Hip-Hop, Lust zum Weibe,
ach Ekstase bleibe, bleibe!
Doch in diese Lust des Sehnens

lacht Poe´s Maiden Leonore:
“Trotz des Straffens und des Dehnens
wirst du raven nevermore.“