Der Balkon

Mutter der Sinne, Rose der Rosen,
du all meiner Lust, du all meiner Pflicht,
wirst dich erinnern an Sanftheit und Kosen,
der Anmut des Feuers im dämmernden Licht,
Mutter der Sinne, Rose der Rosen!

Abende leuchtend vom Lodern der Glut,
auf dem Balkon ein zartes Umschlingen,
wie süß war dein Busen, dein Herz mir gut!
Wir sprachen oft von ewigen Dingen,
Abende leuchtend vom Lodern der Glut!

So spät ist die Stunde, wie prunken die Sonnen!
Wie stark ist das Herz! Wie tief ist der Raum!
Königin, ich bete dich an, ach schenke mir Wonnen!
Oh Duft deines Blutes, mir Odem im Traum.
So spät ist die Stunde, wie prunken die Sonnen!

Die Nacht ward dichter, glich schwarzem Rauch,
und ratend mein Aug', ob es dein Auge fände,
und ich trank, mein Lieb, berauscht deinen Hauch,
und im Schlaf deine Füße, in der Acht meiner Hände.
Die Nacht ward dichter, glich schwarzem Rauch.

Ich weiß die Kunst, das scheue Glück zu finden,
wie einst und jetzt, versteckt in deinem Schoß.
Wem nützt verborgene Schönheit zu ergründen,
dem schönen Leib gilt alles Sehnen. Oh liebste Ros',
ich weiß die Kunst, das scheue Glück zu finden.

Ihr Schwüre, Düfte, Küsse, ungezählt,
erblüht aufs Neu', in uns geheimen Schluchten,
im Himmel jungen Sonnen anvermählt
nach einem Bad in tiefen Meeresbuchten?
Oh Schwüre, Düfte, Küsse, ungezählt!

   
  Nachdichtung des Gedichts "Le balcon" von Charles Baudelaire, hier das Original
   
 

Le balcon

Mère des souvenirs, maîtresse des maîtresses,
Ô toi, tous mes plaisirs ! ô toi, tous mes devoirs !
Tu te rappelleras la beauté des caresses,
La douceur du foyer et le charme des soirs,
Mère des souvenirs, maîtresse des maîtresses !

Les soirs illuminés par l'ardeur du charbon,
Et les soirs au balcon, voilés de vapeurs roses.
Que ton sein m'était doux ! que ton coeur m'était bon !
Nous avons dit souvent d'impérissables choses
Les soirs illuminés par l'ardeur du charbon.

Que les soleils sont beaux dans les chaudes soirées !
Que l'espace est profond ! que le coeur est puissant !
En me penchant vers toi, reine des adorées,
Je croyais respirer le parfum de ton sang.
Que les soleils sont beaux dans les chaudes soirées !

La nuit s'épaississait ainsi qu'une cloison,
Et mes yeux dans le noir devinaient tes prunelles,
Et je buvais ton souffle, ô douceur ! ô poison !
Et tes pieds s'endormaient dans mes mains fraternelles.
La nuit s'épaississait ainsi qu'une cloison.

Je sais l'art d'évoquer les minutes heureuses,
Et revis mon passé blotti dans tes genoux.
Car à quoi bon chercher tes beautés langoureuses
Ailleurs qu'en ton cher corps et qu'en ton coeur si doux ?
Je sais l'art d'évoquer les minutes heureuses !

Ces serments, ces parfums, ces baisers infinis,
Renaîtront-il d'un gouffre interdit à nos sondes,
Comme montent au ciel les soleils rajeunis
Après s'être lavés au fond des mers profondes ?
- Ô serments ! ô parfums ! ô baisers infinis !

   
  "Le balcon" nachgedichtet von Stefan George
   
 

Der Balkon

O mutter der erinnrung · frau der frauen ·
Mein ganzes glück und meine ganze acht!
Kannst du im geist die schönen freuden schauen ·
Des heimes frieden und den reiz der nacht?
O mutter der erinnrung · frau der frauen.

In nächten leuchtend von der kohle glut ·
In nächten am balkon die rosig wallten –
Wie war dein busen süss · dein herz mir gut!
Und unvergängliche gespräche hallten
In nächten leuchtend von der kohle glut.

An heissen abenden wie schön die sonnen ·
Wie stark das herz · wie weit die himmelsluft!
Ich ruhte bei dir · königin der wonnen ·
Zu atmen glaubt ich deines blutes duft.
An heissen abenden wie schön die sonnen!

Dann ward es dunkler .. wie in dichtem rauch ·
Mein auge forschte ob es deines fände.
Ich trank – o gift o süsse – deinen hauch ·
Dein fuss entschlief in meine bruderhände.
Dann ward es dunkler .. wie in dichtem rauch.

Ich weiss in glückes zeit mich zu versenken
Wo mein geschick in deinen knieen lag ..
Wer soll so zarter reize freuden schenken
Wenn es dein leib dein lindes herz nicht mag?
Ich weiss in glückes zeit mich zu versenken.

Ihr schwüre düfte küsse ohne zahl ·
Ersteht ihr auf aus unerspähten schlünden
Wie junge sonnen die zum wolkensaal
Sich heben nach dem bad in meeresgründen?
O schwüre düfte küsse ohne zahl!