Parfum exotique

Mein Auge traumverloren zur blauen Stunde,
ich atme den Duft deiner erregten Brust,
ich sehe weite Strände im Glücke ihrer Lust,
von ewig gleicher Glut geben sie Kunde

von einem trägen Eiland von der Natur beglückt,
mit seltnen Bäumen und sonderbarem Saft,
mit Männern, schlank im Körper und anmutiger Kraft,
mit Frauen, deren Freimut aus ihrem Auge blickt.

Dein Duft führt mich zu einem Hafen,
wo Schiffe dümpeln, Segel und Masten schlafen
ermattet vom stetem Wellenschlag.

Während das Parfüm von grünen Tamarinden
umkränzt mit fremder Glast den Sommertag,
Lieder der See zu meiner Seele finden.

   
  Nachdichtung des Gedichts "Parfum exotique" von Charles Baudelaire, hier das Original
   
 

Parfum exotique

Quand, les deux yeux fermés, en un soir chaud d'automne,
Je respire l'odeur de ton sein chaleureux,
Je vois se dérouler des rivages heureux
Qu'éblouissent les feux d'un soleil monotone ;

Une île paresseuse où la nature donne
Des arbres singuliers et des fruits savoureux ;
Des hommes dont le corps est mince et vigoureux,
Et des femmes dont l'oeil par sa franchise étonne.

Guidé par ton odeur vers de charmants climats,
Je vois un port rempli de voiles et de mâts
Encor tout fatigués par la vague marine,

Pendant que le parfum des verts tamariniers,
Qui circule dans l'air et m'enfle la narine,
Se mêle dans mon âme au chant des mariniers.

   
  "Parfum exotique" nachgedichtet von Stefan George
   
 

Fremdländischer Duft

Wenn sich mein auge schliesst am sommerabend
Und deines heissen busens duft mich lezt
Dann bin ich in ein selig reich versezt.
An immer gleicher sonnenglut sich labend

Ein träges eiland das Natur beglückt
Mit seltnen bäumen früchten süsser säfte
Mit männern schlanken leibes voller kräfte
Und frauen deren auge freimut schmückt.

An wunderbarem strand bin ich zu gast ·
Im weiten hafen drängt sich mast an mast
Noch von der reise müh ein wenig düster ·

Indes vom grünen tarnarindengang
Entschwebt ein duft und dringt mir in die nüster
Vermischt im geiste mit der schiffer sang.